405 samte Gebiet der cechischen Litteratur beherrscht aber ein einziger Kenner, der Universitätsprofessor Ja r 0 s I a v V lee k (geb. 1860). Durch seine »Dejiny ceske literatury« (~Geschichte der cechischen Litteratun, seit 1892, bisher unvollendet), wo er sich auf den Standpunkt der vergleichenden Litteraturforschung zu stellen und die gesamten litterarischen Erscheinungen aus den kulturellen Lebensbedingungen zu erklären wußte, hat Jaroslav Vlcek eine neue Schule gegründet. Als glänzender Porträtist und zugleich als Meister der satten Milieuschilderung berührt sich Vlcek, der sich auch als ein besonders guter Kenner des slowakischen Schrifttums erwiesen hat, mit Jaroslav Goll; doch dessen feine Ironie, dessen seltenen philosophischen Fernblick und künstlerisch geschliffenen Stil besitzt Vlcek nicht. Da er gern großen Zeitströmungen nachgeht, besser wissenschaftliche als künstlerische Erscheinungen erfaßt, den ideellen Zusammenhang des nationalen Schrifttums mit der Weltlitteratur aufzudecken versteht, war er wie keiner dazu berufen die Geschichte der cechischen nationalen Wiedergeburt auf vergleichender Grundlage zu schaffen; hier ist er ein Bahnbrecher gewesen. Er wußte auch vortreffliche Mitarbeiter an sich zu fesseln, die ihn mit monographischen Untersuchungen unterstützt und vervollständigt haben; von denselben will ich seine drei Kollegen auf der Universität Jan Machai (geb. 1855), Jan Jakubec (geb. 1862) und J 0 s e f Ha n u s (geb. 1862) nennen, welche sich ebenfalls mit der Litteratur der Wiedergeburt eingehend bp.schäftigen; die Periode von Halek und Svetla hat ihren Monographisten in Leander Cech (1854-1911) gefunden. Gebauers Werke decken sich ganz mit seiner Persönlichkeit; Gebauers Kampfgenosse Tomas Garrigue Masaryk (geb. 1850) wirkt dagegen immer mehr durch eigenartige Kraft und originellen Zauber der Individualität als durch seine Bücher. T. G. Masaryk ist eine äußerst komplizierte Erscheinung: seinen slowakischen Ursprung, der sich in seinem ganzen Auftreten kundgibt, hat er nie verleugnen wollen noch können; dazu treten tiefgreifende Einwirkungen der russischen und englischen Kultur und Litteratur hinzu, die er dem vorherrschenden französischen und deutschen Einfluß gegenüber betont; doch sein in der positivistischen Philosophie geübter Geist - als Noetiker empfiehlt T. G. Masaryk die Rückkehr zu Hume, als Soziologe hängt er