- 403 feindliche Lager geteilt hat, wurde die moderne cechische Sprachwissenschaft und Litteraturgeschichte geboren. Der Begründer der ce chis ehen Sprachkunde im modernen Sinne, der Prager Universitätsprofessor Jan Gebauer (18381907), war kein Jüngling mehr, als ihn die wissenschaftlichen Verhältnisse zum Führer der modernen Gelehrtengeneration machten. Von seiner Jugend an, die noch unter Miklosichs und Steinthais Einflusse stand, beschäftigte sich Gebauer, dessen unermüdliche Arbeitsamkeit vielleicht nur mit dem unheimlichen Fleiße eines Tomek zu messen wäre, mit der Geschichte der altböhmischen Sprache und Litteratur, die seit Safafik brach gelegen war. Wie Palacky die politische Vergangenheit Böhmens geschildert hat, so wollte Gebauer die sprachliche Geschichte seines Volkes auf breiter Grundlage und in umfassender Darstellung schildern, wobei, ähnlich wie bei Palacky, die älteren Perioden besonders berücksichtigt werden sollten: unzählige Handschriften mußten vorgenommen, Tausende und Abertausende von sprachlichen Belegen notiert, untersucht, geprüft, ältere grammatische Resultate streng revidiert werden. So sah sich Gebauer auf einmal genötigt, auch die beiden verdächtigen Handschriften vorzunehmen, und was nur eine unwesentliche Episode seiner planmäßigen Forschung werden sollte, wurde zum Ausgangspunkte einer neuen Anschauung über das Wesen der altböhmischen Sprache und die Anfänge der altböhmischen Litteratur. Aus Gebauers lebenslänglicher Beschäftigung mit der altböhmischen Sprache entstanden seine beiden monumentalen Werke, die leider unvollendet geblieben sind, seine ~ Historicka mluvnice jazyka ceskeho« (>Historische Grammatik der cechi •. sehen Sprache«, 1894-1898, drei Teile) und sein »Slovnik starocesky« (»Altböhmisches Wörterbuch«, 1901-1908, etwa eine Hälfte des ganzen Werkes, das allerdings fortgesetzt wird). Mit der treffsicheren Methode der vergleichenden Sprachwissenschaft bewältigt hier Gebauer das gesamte, alt böhmische Sprachmaterial, ordnet es mit eiserner Logik, erklärt es mit scharfsinnigem Sprachverständnis. Diese Werke, die an die beiden monumentalen Schöpfungen Jakob Grimms mahnen, gehören zu den schönsten Früchten des wissenschaftlichen Positi vismus, des streng objektiven Realismus, einzig dastehender Wahrheitsliebe; in seiner nervösen, hastigen Zeit i~t Gebauer immer ein ruhiger Epiker der Tatsachen geblieben. 26*